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Zuckerschock 2.0

Ein Vierteljahr Versuchungen hat seine Auswirkungen auf jeden.
Wichtig ist aber nur unser Blickwinkel darauf.

Eins … (Halloween)

Ja, nun ist es wieder so weit.
Angefangen hat es mit Halloween. Ich liebe es, wenn die Lütten (Kleinen) sich verkleidet vor der Tür herumdrücken und ihr „Süßes oder Saures“ mehr oder weniger deutlich herausquetschen. Bunt wie ein Clown oder schwarz-weiß wie ein Vampir, gestreift wie ein Butler, zerrissen wie ein Tramp – ach wie gerne wäre ich noch so jung. - Es ist einer der wenigen Momente, in denen ich mir das wünsche. Ansonsten bin ich froh über meine zeitliche Nähe zur Rente. Das hindert mich aber nicht, ebenfalls … nennen wir es mal freundlich „schräg“ auszusehen. Mein Lieblingsutensil ist dabei Zahnpasta.

„Zahnpasta“, werden Sie sagen? Ja genau. Macht schön bleich und gibt beim Abwaschen eine wunderschöne zarte Haut. Sie taugt als Grundierung für Kajal-Schattierungen oder wie dieses Jahr als Pickel im Gesicht. Dazu hatte ich Zahnbürsten im Haar… Mein Holder hat sich weggeschmissen. „Die Zahnfee, du siehst aus wie die Zahnfee.“
Ein Blick in den Spiegel gab ihm Recht. Jetzt hätte ich nur noch kleine Tuben mit Zahnpflegemitteln verteilen müssen, aber hey, bin ich ein Zahnarzt? Schuster bleib´ bei deinen Leisten, bzw. Zahnfee sorg für das Geschäft. Ab an den Kürbis-Eimer mit den Süßigkeiten.

Aber immerhin bin ich eisern. Keine Verkleidung, kein Süßkram. Oder zumindest erheblich weniger und die Ermahnung für das nächste Jahr. Das zieht, glauben Sie nur.
(Vor zwei Jahren habe ich eine Gruppe Halbstarker angezählt. Das Jahr drauf waren sie wieder da. Alle geschminkt oder verkleidet. Und: sie haben mich an meinen Auftrag an sie erinnert. Natürlich gab´s dann auch reichlich. Leider waren sie dieses Jahr wohl schon zu "erwachsen". Schade, aber sollte einer das lesen, grüß ich ihn und seine Truppe recht herzlich. Kommt gerne nächstes Jahr wieder. Ihr kennt ja die Voraussetzung.)
Der Rest kriegt die volle Dröhnung. Mindestens eine Erwachsenenhand pro Kind. Man will sich ja nicht lumpen lassen.

Da man ja nie weiß, wie stark der Zulauf der herumziehenden Kinder ist, habe ich immer reichlich. Ich bin gerne bereit, für die Süßigkeiten tief in meine Geldbörse zu greifen. Viel tiefer als mein Mann vermutet, aber ohne geht eben nicht. Muss ja alles einzeln eingepackt sein wegen der Hygiene. Und ich liebe die Abwechslung. War es doch früher auch für uns so, dass der-/diejenige mit der ausgefallensten Süßigkeit beim Check nach der Sammeltour der Gewinner war. Obst zählte allerdings nicht mit beziehungsweise es gab Abzüge in der B-Note. Die Regeln waren nicht festgeschrieben, aber alle hielten sich daran. Besser man entsorgte es heimlich im Obstkorb bei Oma. Von da kam es sauber gepellt irgendwann zwar wieder auf den Tisch, aber bis dahin hatten alle vergessen, wo es herkam und es wurde quasi von Oma "geadelt".
Es ist verwerflich, ich weiß, aber Halloween ist nur einmal im Jahr. Ich verspreche auch, mich für den Rest des Jahres ökologisch zu verhalten. Und ich habe einen Komposthaufen. Das muss doch was zählen, oder?

Die Menge an Zuckerzeug, die man verschenkt, ist abhängig vom Wetter, der Kälte, der Lust oder Unlust der Begleitpersonen und vielen anderen Dingen. (Dieses Jahr klopfte es um 19:40Uhr das letzte Mal. Viel zu kurz für mich.) Da bleibt es also nicht aus, dass immer einiges für eine kurze Zeit übrig bleibt.
Sie lesen richtig: Für eine kurze Zeit, eine sehr kurze Zeit.

Mein Staubsauger sorgt schon dafür, dass im neuen Jahr auch neue Schleckereien einzukaufen sind. Hier bekommt keiner alte Kamellen. Guter alter Staubsauger.

Zwei … (Advent)

Kaum ist Halloween vorbei, steht auch schon die Adventszeit vor der Tür und mit ihr die Vielzahl von mehr oder weniger geschmackvollen Adventskalender. Klassisch mit Weihnachtsmännern, Engelchen oder Autos (alten wie neuen, beiden eigen ist in der Regel die Unbezahlbarkeit) oder abstrakten Gemälden (echt schwer, in einem Kandinsky die Zahlen zu finden). Neulich bin ich visuell sogar über einen Männer-Kalender gestolpert. Also wirklich – Jesus kam nackt auf die Welt, wie wir alle, aber selbst Maria, die eigentlich nichts hatte, wenn man der Bibel glauben soll, ja selbst sie hatte für das Jesuskind einige Windeln.

Ich persönlich liebe die Selbstgefüllten. Der Baumarkt ist für die Basis immer eine Fundgrube. Für wenig Geld bekommt man nette Kleinteile-Magazine. Die Auswahl ist riesig, aber mit Glück muss man nicht lange suchen, um die passende Anzahl Fächer zu finden. Sollten noch Fächer fehlen, kann man einzelne Fächer oder Dosen auf die obere Seite als Dreieck ankleben und fertig ist ein kleines Hexenhaus, voll mit leckeren Sachen oder kleinen Geschenken. Hänsel und Gretel würden auf den Wald pfeifen, hätten Sie den Selbstgefüllten.
Nun gut, etwas Bastelgeschick, feste Pappe und buntes Papier wären auch nicht schlecht. Und Kleber! Es kann nicht genug Kleber geben, um dem Frust über rutschendes Einpackpapier Einhalt zu gebieten. Glauben Sie mir, ich habe Erfahrung damit. Nur Sekundenkleber sollten Sie meiden. Der ist so zierlich in seiner Verpackung, aber die Hölle für jeden Gegenstand im Umkreis von einem Quadratmeter. Das schließt auch den funkelnagelneuen Kaschmirpullover oder die Tischdecke von Ur-Oma mit ein, die sich zum Essen angesagt hat und hundertprozentig nach ihrem Erbstück fragen wird. Was ich mit dem schon erlebt habe … wollen Sie nicht wissen beziehungsweise ist einer eigenen Geschichte würdig, die Ihnen die Tränen in die Augen triebe.
Jetzt gibt es genau wegen dieser Dinge Sekundenkleber-Gel. Tolle Erfindung, aber bei mir hat das blöde Teil die Angewohnheit, als kleiner Kleber-Schei..terhaufen von seiner vorgesehenen Stelle unbemerkt herunterzufallen und dann bin ich wieder beim alten Problem. Sie wissen schon. Nach dem letzten Zwischenfall, der die Blumenvase mit der Werbung für Männer-Pampers unlöslich verband, bin ich davon abgekommen. Arme Vase, es war ihr Ende.

Das mit den Geschenken wird erfahrungsgemäß eher sporadisch vorkommen. Die überwiegende Füllung ist, Sie ahnen es sicher: süß … süßer … klebrig-süß … schokoladen-süß … knusprig-süß … verführerisch-süß und so schwer ausweichbar.

Nun sind die Fächer für Nägel und Dübel gedacht, die in der Regel nicht einzeln in den Fächern liegen. So sind die zu füllenden Räume auch relativ groß. Eine Pralinenpackung lässt sich gut auf zwei Fächer verteilen. Die Familienpackung auf drei. Glauben Sie nur nicht, mit der Familienpackung kämen Sie weiter. Man weiß ja mittlerweile, dass die Firmen die Inhalte „gesundschrumpfen“. Höherer Preis, kleinerer Inhalt, somit weniger Kalorien. Echt freundlich von den Firmen, oder nicht? Die Krönung sind die „Minipralinchen mit Mini-Pistazien“, für die derzeit massiv Werbung gemacht wird. Diese zu verpacken geht nur in Pillendöschen, sonst bleibt ihr Konto bis nächsten Sommer in den Miesen.

Man mag jammern ob der höheren Kosten, dafür kann man aber sicher sein, dass die Schokolade keine weißen Ränder aufweist, die von der Lagerung stammen und einen daran zweifeln lassen, dass diese Schokolade auch frisch ist. Es halten sich ja auch immer noch die Gerüchte, dass es möglicherweise die Hasen des letzten (hoffentlich nicht vorletzten) Ostern sein sollten. Ausgepackt, eingeschmolzen, sieht kein Mensch mehr, maximiert aber den Gewinn durch Minimierung des Ausschusses. Siehe da, sind sie nicht clever, unsere Marktwirtschafts-Smarties von der Saison-Schokolatier-Zunft?

Die Krux an der guten Idee ist leider die Menge der aufgenommenen Kalorien.
Mir hilft da immer ein Trick: Möglichst noch vor dem Beginn der Adventszeit steht der Kauf eines tollen, unbedingt engen und sauteuren Kleides an. Sauteuer deshalb, weil man billige Fetzen ohne Reue entsorgen würde. Der Rest versteht sich von selbst. Dies und die Vorstellungskraft sind nahezu unschlagbar. Stellen Sie sich vor, wie Sie mit dem Kleid am Weihnachtsfest glänzen könnten … und schon zuckt die Zuckerhand zurück, die ungefragt nach dem Adventskalender greifen will.
Aber bisher hatte in meinem Haus noch nie ein Adventskalender seinen Inhalt über Weihnachten gerettet. Mein Staubsauger macht notfalls Überstunden.

Sollte es trotzdem eng werden mit dem Erreichen einer Rubensfigur, ist Schwiegermutter stets besorgt, den Göttergatten auf ein ähnliches Level zu heben. Das sorgt für mehr Frieden, es sei denn, der letzte Lieblingskeks verschwindet vor den eigenen Augen. Sicherheitshalber verstecke ich meist eine mit meinen Lieblingen. Manchmal rette ich sie bis Silvester, aber das ist nicht oft der Fall. Ich bin wohl zu durchsichtig oder benötige Nachhilfe im Verstecken.

Drei … (Weihnachten)

Zimteis mit heißen Himbeeren – Pflaumenröster – traumhaft luftiges Soufflee – Schokopudding mit Vanillesoße – Stollen mit Marzipan ...

Sicher können Sie die Liste erheblich verlängern. Sei es durch gekaufte Leckereien oder uralte Familienrezepte, deren Weitergabe der Zutatenliste bereits den Ausschluss aus dem Familienverband auf Lebenszeit, mindestens aber für 10 weitere Weihnachtsfeiern, bedeutet.
Mit Glück dauert die Herstellung nur eine Viertelstunde, aber das ist sehr unwahrscheinlich. Die Regel dürfte sein, es dauert drei bis fünf Stunden, möglich auch, dass sich die Vorbereitungen über mehrere Tage hinziehen. Ich denke da nur an selbstgemachten Lebkuchen.
Das Ärgerliche daran ist, dass es selten länger als fünf Minuten dauert bis alles aufgegessen ist. Clevere Hausfrauen probieren daher ausgiebig bereits in der Küche (man muss ja sicherstellen, dass es auch schmecken wird), ansonsten gehen sie noch während dem letzten Gang in die Küche mit dem dreckigen Geschirr leer aus. Es findet sich immer jemand, der/die nach dem letzten Rest greift, völlig unschuldig verdrängend, dass die Erzeugerin (ich) der Köstlichkeit noch seinen/ihren Dreck wegräumt und selbst noch nichts hatte. Schnell den Mund abgewischt und mit einem lockeren „Ich geh mal schnell eine rauchen!“ aus der Sichtweite derer geflüchtet, die das unheilige Ansinnen des Geschirrspülens an einem Feiertag verlangen. Als Rückkehrzeit kann man die Zeit ansetzen, bis mindestens zwei Drittel des Abwasches erledigt sind.
Mein privater Held weiß zwar nicht, wie die Spülmaschine aufgeht (ist genetisch, glaube ich), aber zumindest im Reste vernichten hat er nach einigen Zusammenstößen langsam dazugelernt. Aber wie gesagt: Es gibt immer jemanden, der hier noch Nachholbedarf hat.

„Jesus hat auch kein Geschirr abgewaschen und sollen wir nicht dem Herrn nacheifern?“
Meine Antwort: Jesus war bei seiner Geburt noch ein Baby, du faules Stück hoch gewachsene Ignoranz!
Dabei würde es dem-/derjenigen echt gut zu Gesicht stehen, wenn er/sie sich bewegen würde, um die Kalorien wieder loszuwerden.
„Fett wärmt und der Winter ist kalt!“ „Zumindest stößt du dir an mir keine blauen Flecke.“
Na so dicht werde ich auch ohne Kalorien nicht kommen, glaubt mir.

… Kalorienzauberei (Erkenntnis)

Studien sagen, an den Feiertagen kracht es in den meisten Familien. Sei es die Enge, diese ungewohnte, oder sei es die Fülle an enttäuschenden Erinnerungen der vergangenen Weihnachten. Wie dünnhäutig sind wir doch über der Speckschicht, die wir uns angelegt haben. Wie gut, wer dann noch Kekse in einer Dose hat. Jedenfalls solange der Staubsauger noch nicht zugeschlagen hat.

Wie heißt übrigens Ihr Staubsauger?

Meiner heißt „Ehegatte“ und ich hoffe inständig, dass sein "Beutel" nicht so schnell platzt. Natürlich leidet auch er am Zuckerschock, wie es kleine Kinder tun. Zum Beispiel kann ich bei einem Anfall kein Fernsehprogramm sehen, ohne dass er seine Kommentare einpflegt, es ist nahezu unmöglich. Natürlich sucht er mit alptraumhafter Sicherheit immer die Stellen, in denen eine Basisinformation gegeben wird oder die Aufklärung einer wichtigen Situation ansteht.
Mittlerweile versuche ich alles aufzunehmen, da sich die Filme häuften, die ich partiell zehn Mal gesehen habe, den ganzen Film jedoch nur einmal.

Ich nenn es die Auswirkungen von Zuckerschock 2.0. Es dauerte ein paar Jahre, bis mir der Zusammenhang auffiel. Seit dem sorge ich dafür, dass wenigstens auch einige meiner Lieblingsschleckereien dabei sind. NUR zur Beruhigung und weil man mit vollem Mund keinen Urschrei loslassen kann, wenn er wieder in eine entscheidende Szene quatscht.

Gesegnete Mahlzeit. Lassen Sie sich durch mich von nichts abbringen.
Die Bikinifigur werden wir wohl verschieben müssen. Ein Vierteljahr schlemmen lässt sich nicht in einem weiteren Vierteljahr ausbügeln, also wird es diesen Sommer wieder nichts. Aber seien Sie beruhigt, Sie konnten doch nicht anders. Die Jahreszeiten waren gegen Sie. Und so eine Bikinifigur lässt sich gut auf 2025 verschieben. Oder 2026? Ach unsere Zeit wird kommen. Ganz sicher.
Sollte sie das trotzdem beunruhigen empfehle ich einen heißen Kakao mit Sahne und einen Keks aus der versteckten Schwiegermutter-Dose.
Naschen ist ja so herrlich befriedigend.

Ihre (leicht vollschlanke)

Agatha van Wysn

Besuchen Sie doch auch die anderen Kolleg:innen im Autoren-Adventskalender. Sie werden bestimmt etwas Hübsches finden. Nachstehend der Link:

https://www.autoren-adventskalender.de



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  Türchen 11 -

Weihnachtszeit - Lichterzeit.

Lichter haben etwas Magisches. Umso mehr, wenn sie auf einmal nicht mehr da sind. Ich habe hier einige Gedanken skizziert, die ich gerne mit Euch teilen möchte:

Gedanken einer Nacht

Menschen irren verwirrt durch die dunklen Straßen.
"Hast du ...?" Sie blicken sich gegenseitig in die erschrockenen Gesichter. "Bei dir auch?"
Fremde kommen auf dich zu: "Wisst Ihr was?" und Erinnerungen werden wach. Erinnerungen an Bilder, die immer weit weg erschienen und nun doch so nah sind. Hautnah sozusagen.

In das geisterhaften Treiben der Meisten mischt sich hektische Betriebsamkeit von einigen Wenigen. "Da muss doch noch ..." "Ich hatte extra welche aufgehoben!" Ihr aufgescheuchtes Herumflattern wirkt auf die ängstlichen Gesichter in der Nacht nicht beruhigender. Eher das Gegenteil trifft ein. Man rückt zusammen wie eine Herde Schafe und versucht, in der Masse das Fremde, Unbekannte, das immer schon Befürchtete bekämpfen zu können. Mir was? Plüschpantoffeln?

"Wie lange wird es dauern?", ist die meistgestellte Frage der Nacht. Ja, wie lange ...?

Einige Tapfere versuchen sich mit Zweckoptimismus. "Ich gehe jetzt ins Bett und wenn ich wieder wach werde, ist alles vorbei." Merkwürdig, wie es an die Kindheit erinnert, als die Mutter das noch sagte. "Kind, schlaf erst einmal darüber. Morgen ist alles vorbei." Eine bessere Welt durch Ignoranz? Wird man so der Lage gerecht? Es fühlt sich falsch an. Doch was kann man machen ... kann ich machen?

Wohin ich schaue, sehe ich graue Gesichter. Einige Straßenlaternen senden noch ihr fahles Licht in die Nacht. Wie lange werden sie noch scheinen? Was, wenn sie ausgehen? Wer ist noch hier – an wen könnte man sich wenden, falls man Hilfe braucht? Wann kommt der Mob? Der muss doch kommen. Kennt man schließlich aus dem Fernsehen. Irgendwann kommt immer der Mob. Menschen rücken zusammen und nicht immer sind sie auf Hilfe aus.

Ein schnelles Drehen des Kopfes in alle Richtungen beruhigt latent. Die dort, die kenn ich, das sind meine Nachbarn. Die auf der anderen Seite kenn ich auch. Vom Sehen. Gesprochen habe ich noch nie mit ihnen. Wozu auch. Bis jetzt ... Aber wer ist das? Das Mädchen habe ich noch nie vorher hier gesehen. Wo kommt sie her? Was will sie? Und wen hat sie mitgebracht? Angst. – Angst hat sie mitgebracht. Als hätte man nicht schon ausreichend selbst hier in der Runde. Wir geben uns gelassen und sind es doch so wenig.

Unser Leben ist urplötzlich anders geworden. Wie wenn ein Schalter umgelegt wurde. Wann wird es wieder so sein, wie es zu Mutters Zeiten war? Warm, sicher, hell? Vermutlich nie. Ist man auf die Lage, sollte sie so bleiben, ausreichend vorbereitet? Ist ausreichend Wasser im Keller? Essen? Zu dumm, dass man den Gedanken an das Notstromaggregat nicht weiterverfolgt hat. Wenn alles wieder normal ist, muss man darüber unbedingt noch einmal nachdenken. Ach was! Nicht nachdenken ... handeln. Ja, handeln. Nichts ist schlimmer als zur Untätigkeit verdammt zu sein. Morgen gleich. Ach nein, da ist ja Sonntag ... aber übermorgen, wenn alles wieder normal ist.

Wird es das je wieder ...


... Bis der Strom wieder kam, waren wir uns alle etwas näher als sonst. Schon am nächsten Tag lief man wieder in den eigenen Spuren, schön neben den anderen. Selten kreuzten sich die Wege. Weihnachten kam, Weihnachten ging. Die Festbeleuchtungen in diesem Jahr unterschieden sich nicht von denen der vergangenen Jahre. Jeder blieb für sich.

Aber an Neujahr kam man wieder auf der Straße zusammen. Im Dunklen, den Blick auf die glitzernden Lichter am Himmel gerichtet, wurden Gläser gehoben, Hände geschüttelt, und es wurde angestoßen auf das neue Jahr. Die Erinnerung an die Zeit des Stromausfalls mochte nicht mehr jedem präsent sein, aber sie lebte in allen fort und verband Nachbarn, die sich sonst nie trafen.

Dies Silvester war wärmer als jedes bisher erlebte. Fast war ich dankbar für den kleinen Fehler im Umspannwerk, damals im August, als für circa eine Stunde um 23:34 Uhr in Bremen das Licht ausging.

Was ein kleines bisschen Licht in der Dunkelheit doch manchmal ausmachen kann.

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Zu diesem Text:

Inspiriert wurde ich zu dem Text in der Nacht des 03. auf den 04.08.2018,
als ein Stromausfall um 23:34 Uhr in Bremen die Lichter erlöschen ließ
für die Dauer von ca. einer Stunde.

Mit ihm möchte ich die Hoffnung in diese Welt schicken,
dass es nicht erst einen Stromausfall benötigt,
damit man seinen Nachbarn sieht.

Vielleicht trägt er ebenso zu einem Umdenken bei wie mein neuer Roman,
der voraussichtlich im Januar 2019 im JustTales Verlag erscheinen wird.
Auch dort geht es um Sehen und Gesehen werden.

Kommissar Michael Oder löst seinen zweiten Fall, nachdem er den
"Morgenmuffel" im November 2017 zur Strecke brachte.
Titel des neuen Kommissar Oder Krimis:

                                "Kein Erbe ohne Tod"

Vorankündigung und Termin zur offiziellen Buchpremiere findet sich hier.