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Magerwahn – auf Facebook

Abnehmgruppen auf Facebook:
Ich werde das Gefühl nicht los, es sind zum großen Teil
Tauschbörsen für Rezepte von / für potenziell Magersüchtige(n)
und Halbwahrheiten. Aber Gefühle sind frei. Selbst meine.

Noch...


Magere Gedanken
(Gedicht)

Kurzer Ausflug in Diätwelten-Gruppe.
Ade Bratkartoffel, hallo Magersuppe?
->Festgestellt: Nicht "meine" Welt.

Entschieden, lieber entspannt zu genießen.
Zufrieden rundlich, lass nichts mir vermiesen.

4/5tel des Lebens: ich schlank - nix Diät.
Das sollte euch reichen, ja sogar das geht.

Kannst nicht jeden retten, ganz sicher mich nicht.
Muss jeder selbst wissen, ob ihn das anficht.

... Bleibt nun zum Schluss noch die Kardinals-Frage:
... Eis? Kuchen? Pizza? Und welche Beilage?...


Ja, meine "schlanken" Tage sind vorbei. Definitiv, vermutlich endgültig.
Vollschlank! Wer hat sich so ein Augenwischer-Wort nur ausgedacht.
Irgendwann packte mich aber der Ehrgeiz, und ich wollte noch Mal ...
Mein Jeans-Minirock, der gerade noch über einen Oberschenkel passte,
er hat mich dezent deprimiert. Gebe ich zu. Wenn auch nur kurz.

Voller Motivation also ab nach Facebook. Hier gibt´s Gruppen für alles!
Vom Fußpilz bis zum abgebrochenen Fingernagel wird einem geholfen.
Warum also nicht auch mir, dachte ich so.
Ein paar Erfahrungsaustausche und das Gefühl, nicht alleine zu kämpfen.
Und leckere Rezepte, die nicht nach Verzicht schmecken.

Als erstes musste ich feststellen, dass ich kein Deutsch konnte.
Xucker mit X. Muss ein Fehler sein, oder? Englische Tastatur und dann verrutscht.
Leider nein. Ich kann einfach kein Diät-Deutsch. Denn den gibt es.
Metabolismus, Detox, Grundumsatz, Formula, Glyx usw. und so fort.
Zwei Wochen habe ich allein nur nachgelesen, wovon die Mitleidenden sprachen.
Jawohl: Mitleidenden. Jubelrufe waren selten. Keiner war irgendwie zufrieden.

Dann beschloss ich, mich nur noch auf die Rezepte zu konzentrieren.
Ich öffnete also meinen Küchenschrank für Dinkelmehl und Xucker.
Und schloss ihn schnell wieder. Denn Abnehmen ist teuer.
Am sichersten nimmt man am Portemonnaie ab.
Eigentlich logisch: Was man teuer bezahlt hat, um es auf die Rippen zu kleben,
sollte man genauso teuer auch wieder verlieren müssen. Strafe muss sein.

Immerhin, ich war immer noch willig. Habe mich durch Foren gelesen, nächtelang.
Und Menschen beobachtet. Menschen auf einer Mission gegen alles, was Spaß macht, wie mir schien.
Nicht böse sein, ich kann nicht anders. Es ist mir wie eine zweite Haut.
Warum macht wer was warum und wie? Ich hinterfrage alles, selbst mich.
Und es war schon merkwürdig. Ich habe ja oben erwähnt, dass nur wenige zufrieden waren.
Der Trend setzte sich fort. Wo immer ich hinsah, der gleiche Tenor:
"Ich habe jetzt 50 kg abgenommen, aber ich will 60. " Oder:
"Ich habe vorgestern eine Pizza gegessen. Seit dem habe ich nicht mehr gesch... jetzt wiege ich 50 Gramm mehr. Wie kann das sein?"
Schlimm. Das zog mich herunter. Mehr noch als mein Jeans-Minirock.
(Nun gut, der wog aus Stoffmangel auch nicht so viel.)

Was mich dann aber wirklich aufregte war ein Post, der mich erschreckte.
Falsch ... dessen Antworten mich erschreckte. So muss das lauten.

Eine Dame meinte, sie würde jetzt nach Abnahme 65 kg wiegen und
wollte noch 10 weitere verlieren. Ihre Waage allerdings stocke und sie war verzweifelt.
Rasch kamen massenweise Tipps. Das aggressive Ping-Ping von Facebook ließ keine andere Beschäftigung mehr zu. Also wollte ich sehen, was da so megainteressant sein sollte. – Und habe alle Posts gelesen.

OMG.

Keiner, absolut keiner hinterfragte die Ausgangssituation.
Niemand wollte wissen, wie groß die Dame war. Wie sich das Verhältnis zusammensetzte, was sie vorher wog? Wie viel sie in welcher Zeit abgenommen hatte? Ob es realistisch war?
Wie alt war sie überhaupt?

Nun wusste ich aus eigener Erfahrung, dass 65 kg sehr schlank sein können.
(Oh schön war die Zeit. Da passte auch noch der Jeans-Mini!)
Und meine Gedanken waren bei der Posterin. Wer war sie?
War sie vielleicht nur 1,60m oder doch 1,80m?
Ich machte mir Sorgen, sie könne ins Untergewicht fallen.
Schlimmer noch: MAGERSUCHT
Denn wo ist die Grenze von schlank zu mager?
Wie lange ist Abnehmen gesund und ab wann wird man krank?

Ich musste eingreifen. Habe laut STOP gerufen und erst mal nachgefragt.

Und dann kamen die Shit-Posts!
Fast genau so viele wie vorher Tipps.
Ich war schlagartig der Anti-Christ der Abnehmgruppe.
Hallo? Geht´s noch? Was war mein Fehler?
Weil ich mir Sorgen um eine der ihren gemacht habe?

An dem Tag beschloss ich, mit etwas Speck auf den Rippen schlägt sich
mein Freund nicht die Knochen blau, wenn er mich umarmt.
Und das ist gut so.
In einer Gruppe zu sein, die sich so wenig um sich selbst kümmert,
und noch weniger auf andere Acht gibt, möchte ich nicht sein.
Niemals. Und niemals wieder.

Ich erklärte meinen Abschied, reimte das oben gepostete Gedicht und das war´s.
Und habe es nicht bereut.
(Und meinen Jeans-Mini hebe ich trotzdem auf. Er ist eine Erinnerung an eine andere Zeit. Nicht mehr und nicht weniger. Ohne Reue, ohne Depri.)

In diesem Sinne:
Man muss schon auf sich selbst aufpassen. Ein anderer wird es nicht tun.

Ich wünsche Euch einen entspannten Tag.

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