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Zuckerschock 2.0

Ein Vierteljahr Versuchungen hat seine Auswirkungen auf jeden.
Wichtig ist aber nur unser Blickwinkel darauf.

Eins … (Halloween)

Ja, nun ist es wieder so weit.
Angefangen hat es mit Halloween. Ich liebe es, wenn die Lütten (Kleinen) sich verkleidet vor der Tür herumdrücken und ihr „Süßes oder Saures“ mehr oder weniger deutlich herausquetschen. Bunt wie ein Clown oder schwarz-weiß wie ein Vampir, gestreift wie ein Butler, zerrissen wie ein Tramp – ach wie gerne wäre ich noch so jung. - Es ist einer der wenigen Momente, in denen ich mir das wünsche. Ansonsten bin ich froh über meine zeitliche Nähe zur Rente. Das hindert mich aber nicht, ebenfalls … nennen wir es mal freundlich „schräg“ auszusehen. Mein Lieblingsutensil ist dabei Zahnpasta.

„Zahnpasta“, werden Sie sagen? Ja genau. Macht schön bleich und gibt beim Abwaschen eine wunderschöne zarte Haut. Sie taugt als Grundierung für Kajal-Schattierungen oder wie dieses Jahr als Pickel im Gesicht. Dazu hatte ich Zahnbürsten im Haar… Mein Holder hat sich weggeschmissen. „Die Zahnfee, du siehst aus wie die Zahnfee.“
Ein Blick in den Spiegel gab ihm Recht. Jetzt hätte ich nur noch kleine Tuben mit Zahnpflegemitteln verteilen müssen, aber hey, bin ich ein Zahnarzt? Schuster bleib´ bei deinen Leisten, bzw. Zahnfee sorg für das Geschäft. Ab an den Kürbis-Eimer mit den Süßigkeiten.

Aber immerhin bin ich eisern. Keine Verkleidung, kein Süßkram. Oder zumindest erheblich weniger und die Ermahnung für das nächste Jahr. Das zieht, glauben Sie nur.
(Vor zwei Jahren habe ich eine Gruppe Halbstarker angezählt. Das Jahr drauf waren sie wieder da. Alle geschminkt oder verkleidet. Und: sie haben mich an meinen Auftrag an sie erinnert. Natürlich gab´s dann auch reichlich. Leider waren sie dieses Jahr wohl schon zu "erwachsen". Schade, aber sollte einer das lesen, grüß ich ihn und seine Truppe recht herzlich. Kommt gerne nächstes Jahr wieder. Ihr kennt ja die Voraussetzung.)
Der Rest kriegt die volle Dröhnung. Mindestens eine Erwachsenenhand pro Kind. Man will sich ja nicht lumpen lassen.

Da man ja nie weiß, wie stark der Zulauf der herumziehenden Kinder ist, habe ich immer reichlich. Ich bin gerne bereit, für die Süßigkeiten tief in meine Geldbörse zu greifen. Viel tiefer als mein Mann vermutet, aber ohne geht eben nicht. Muss ja alles einzeln eingepackt sein wegen der Hygiene. Und ich liebe die Abwechslung. War es doch früher auch für uns so, dass der-/diejenige mit der ausgefallensten Süßigkeit beim Check nach der Sammeltour der Gewinner war. Obst zählte allerdings nicht mit beziehungsweise es gab Abzüge in der B-Note. Die Regeln waren nicht festgeschrieben, aber alle hielten sich daran. Besser man entsorgte es heimlich im Obstkorb bei Oma. Von da kam es sauber gepellt irgendwann zwar wieder auf den Tisch, aber bis dahin hatten alle vergessen, wo es herkam und es wurde quasi von Oma "geadelt".
Es ist verwerflich, ich weiß, aber Halloween ist nur einmal im Jahr. Ich verspreche auch, mich für den Rest des Jahres ökologisch zu verhalten. Und ich habe einen Komposthaufen. Das muss doch was zählen, oder?

Die Menge an Zuckerzeug, die man verschenkt, ist abhängig vom Wetter, der Kälte, der Lust oder Unlust der Begleitpersonen und vielen anderen Dingen. (Dieses Jahr klopfte es um 19:40Uhr das letzte Mal. Viel zu kurz für mich.) Da bleibt es also nicht aus, dass immer einiges für eine kurze Zeit übrig bleibt.
Sie lesen richtig: Für eine kurze Zeit, eine sehr kurze Zeit.

Mein Staubsauger sorgt schon dafür, dass im neuen Jahr auch neue Schleckereien einzukaufen sind. Hier bekommt keiner alte Kamellen. Guter alter Staubsauger.

Zwei … (Advent)

Kaum ist Halloween vorbei, steht auch schon die Adventszeit vor der Tür und mit ihr die Vielzahl von mehr oder weniger geschmackvollen Adventskalender. Klassisch mit Weihnachtsmännern, Engelchen oder Autos (alten wie neuen, beiden eigen ist in der Regel die Unbezahlbarkeit) oder abstrakten Gemälden (echt schwer, in einem Kandinsky die Zahlen zu finden). Neulich bin ich visuell sogar über einen Männer-Kalender gestolpert. Also wirklich – Jesus kam nackt auf die Welt, wie wir alle, aber selbst Maria, die eigentlich nichts hatte, wenn man der Bibel glauben soll, ja selbst sie hatte für das Jesuskind einige Windeln.

Ich persönlich liebe die Selbstgefüllten. Der Baumarkt ist für die Basis immer eine Fundgrube. Für wenig Geld bekommt man nette Kleinteile-Magazine. Die Auswahl ist riesig, aber mit Glück muss man nicht lange suchen, um die passende Anzahl Fächer zu finden. Sollten noch Fächer fehlen, kann man einzelne Fächer oder Dosen auf die obere Seite als Dreieck ankleben und fertig ist ein kleines Hexenhaus, voll mit leckeren Sachen oder kleinen Geschenken. Hänsel und Gretel würden auf den Wald pfeifen, hätten Sie den Selbstgefüllten.
Nun gut, etwas Bastelgeschick, feste Pappe und buntes Papier wären auch nicht schlecht. Und Kleber! Es kann nicht genug Kleber geben, um dem Frust über rutschendes Einpackpapier Einhalt zu gebieten. Glauben Sie mir, ich habe Erfahrung damit. Nur Sekundenkleber sollten Sie meiden. Der ist so zierlich in seiner Verpackung, aber die Hölle für jeden Gegenstand im Umkreis von einem Quadratmeter. Das schließt auch den funkelnagelneuen Kaschmirpullover oder die Tischdecke von Ur-Oma mit ein, die sich zum Essen angesagt hat und hundertprozentig nach ihrem Erbstück fragen wird. Was ich mit dem schon erlebt habe … wollen Sie nicht wissen beziehungsweise ist einer eigenen Geschichte würdig, die Ihnen die Tränen in die Augen triebe.
Jetzt gibt es genau wegen dieser Dinge Sekundenkleber-Gel. Tolle Erfindung, aber bei mir hat das blöde Teil die Angewohnheit, als kleiner Kleber-Schei..terhaufen von seiner vorgesehenen Stelle unbemerkt herunterzufallen und dann bin ich wieder beim alten Problem. Sie wissen schon. Nach dem letzten Zwischenfall, der die Blumenvase mit der Werbung für Männer-Pampers unlöslich verband, bin ich davon abgekommen. Arme Vase, es war ihr Ende.

Das mit den Geschenken wird erfahrungsgemäß eher sporadisch vorkommen. Die überwiegende Füllung ist, Sie ahnen es sicher: süß … süßer … klebrig-süß … schokoladen-süß … knusprig-süß … verführerisch-süß und so schwer ausweichbar.

Nun sind die Fächer für Nägel und Dübel gedacht, die in der Regel nicht einzeln in den Fächern liegen. So sind die zu füllenden Räume auch relativ groß. Eine Pralinenpackung lässt sich gut auf zwei Fächer verteilen. Die Familienpackung auf drei. Glauben Sie nur nicht, mit der Familienpackung kämen Sie weiter. Man weiß ja mittlerweile, dass die Firmen die Inhalte „gesundschrumpfen“. Höherer Preis, kleinerer Inhalt, somit weniger Kalorien. Echt freundlich von den Firmen, oder nicht? Die Krönung sind die „Minipralinchen mit Mini-Pistazien“, für die derzeit massiv Werbung gemacht wird. Diese zu verpacken geht nur in Pillendöschen, sonst bleibt ihr Konto bis nächsten Sommer in den Miesen.

Man mag jammern ob der höheren Kosten, dafür kann man aber sicher sein, dass die Schokolade keine weißen Ränder aufweist, die von der Lagerung stammen und einen daran zweifeln lassen, dass diese Schokolade auch frisch ist. Es halten sich ja auch immer noch die Gerüchte, dass es möglicherweise die Hasen des letzten (hoffentlich nicht vorletzten) Ostern sein sollten. Ausgepackt, eingeschmolzen, sieht kein Mensch mehr, maximiert aber den Gewinn durch Minimierung des Ausschusses. Siehe da, sind sie nicht clever, unsere Marktwirtschafts-Smarties von der Saison-Schokolatier-Zunft?

Die Krux an der guten Idee ist leider die Menge der aufgenommenen Kalorien.
Mir hilft da immer ein Trick: Möglichst noch vor dem Beginn der Adventszeit steht der Kauf eines tollen, unbedingt engen und sauteuren Kleides an. Sauteuer deshalb, weil man billige Fetzen ohne Reue entsorgen würde. Der Rest versteht sich von selbst. Dies und die Vorstellungskraft sind nahezu unschlagbar. Stellen Sie sich vor, wie Sie mit dem Kleid am Weihnachtsfest glänzen könnten … und schon zuckt die Zuckerhand zurück, die ungefragt nach dem Adventskalender greifen will.
Aber bisher hatte in meinem Haus noch nie ein Adventskalender seinen Inhalt über Weihnachten gerettet. Mein Staubsauger macht notfalls Überstunden.

Sollte es trotzdem eng werden mit dem Erreichen einer Rubensfigur, ist Schwiegermutter stets besorgt, den Göttergatten auf ein ähnliches Level zu heben. Das sorgt für mehr Frieden, es sei denn, der letzte Lieblingskeks verschwindet vor den eigenen Augen. Sicherheitshalber verstecke ich meist eine mit meinen Lieblingen. Manchmal rette ich sie bis Silvester, aber das ist nicht oft der Fall. Ich bin wohl zu durchsichtig oder benötige Nachhilfe im Verstecken.

Drei … (Weihnachten)

Zimteis mit heißen Himbeeren – Pflaumenröster – traumhaft luftiges Soufflee – Schokopudding mit Vanillesoße – Stollen mit Marzipan ...

Sicher können Sie die Liste erheblich verlängern. Sei es durch gekaufte Leckereien oder uralte Familienrezepte, deren Weitergabe der Zutatenliste bereits den Ausschluss aus dem Familienverband auf Lebenszeit, mindestens aber für 10 weitere Weihnachtsfeiern, bedeutet.
Mit Glück dauert die Herstellung nur eine Viertelstunde, aber das ist sehr unwahrscheinlich. Die Regel dürfte sein, es dauert drei bis fünf Stunden, möglich auch, dass sich die Vorbereitungen über mehrere Tage hinziehen. Ich denke da nur an selbstgemachten Lebkuchen.
Das Ärgerliche daran ist, dass es selten länger als fünf Minuten dauert bis alles aufgegessen ist. Clevere Hausfrauen probieren daher ausgiebig bereits in der Küche (man muss ja sicherstellen, dass es auch schmecken wird), ansonsten gehen sie noch während dem letzten Gang in die Küche mit dem dreckigen Geschirr leer aus. Es findet sich immer jemand, der/die nach dem letzten Rest greift, völlig unschuldig verdrängend, dass die Erzeugerin (ich) der Köstlichkeit noch seinen/ihren Dreck wegräumt und selbst noch nichts hatte. Schnell den Mund abgewischt und mit einem lockeren „Ich geh mal schnell eine rauchen!“ aus der Sichtweite derer geflüchtet, die das unheilige Ansinnen des Geschirrspülens an einem Feiertag verlangen. Als Rückkehrzeit kann man die Zeit ansetzen, bis mindestens zwei Drittel des Abwasches erledigt sind.
Mein privater Held weiß zwar nicht, wie die Spülmaschine aufgeht (ist genetisch, glaube ich), aber zumindest im Reste vernichten hat er nach einigen Zusammenstößen langsam dazugelernt. Aber wie gesagt: Es gibt immer jemanden, der hier noch Nachholbedarf hat.

„Jesus hat auch kein Geschirr abgewaschen und sollen wir nicht dem Herrn nacheifern?“
Meine Antwort: Jesus war bei seiner Geburt noch ein Baby, du faules Stück hoch gewachsene Ignoranz!
Dabei würde es dem-/derjenigen echt gut zu Gesicht stehen, wenn er/sie sich bewegen würde, um die Kalorien wieder loszuwerden.
„Fett wärmt und der Winter ist kalt!“ „Zumindest stößt du dir an mir keine blauen Flecke.“
Na so dicht werde ich auch ohne Kalorien nicht kommen, glaubt mir.

… Kalorienzauberei (Erkenntnis)

Studien sagen, an den Feiertagen kracht es in den meisten Familien. Sei es die Enge, diese ungewohnte, oder sei es die Fülle an enttäuschenden Erinnerungen der vergangenen Weihnachten. Wie dünnhäutig sind wir doch über der Speckschicht, die wir uns angelegt haben. Wie gut, wer dann noch Kekse in einer Dose hat. Jedenfalls solange der Staubsauger noch nicht zugeschlagen hat.

Wie heißt übrigens Ihr Staubsauger?

Meiner heißt „Ehegatte“ und ich hoffe inständig, dass sein "Beutel" nicht so schnell platzt. Natürlich leidet auch er am Zuckerschock, wie es kleine Kinder tun. Zum Beispiel kann ich bei einem Anfall kein Fernsehprogramm sehen, ohne dass er seine Kommentare einpflegt, es ist nahezu unmöglich. Natürlich sucht er mit alptraumhafter Sicherheit immer die Stellen, in denen eine Basisinformation gegeben wird oder die Aufklärung einer wichtigen Situation ansteht.
Mittlerweile versuche ich alles aufzunehmen, da sich die Filme häuften, die ich partiell zehn Mal gesehen habe, den ganzen Film jedoch nur einmal.

Ich nenn es die Auswirkungen von Zuckerschock 2.0. Es dauerte ein paar Jahre, bis mir der Zusammenhang auffiel. Seit dem sorge ich dafür, dass wenigstens auch einige meiner Lieblingsschleckereien dabei sind. NUR zur Beruhigung und weil man mit vollem Mund keinen Urschrei loslassen kann, wenn er wieder in eine entscheidende Szene quatscht.

Gesegnete Mahlzeit. Lassen Sie sich durch mich von nichts abbringen.
Die Bikinifigur werden wir wohl verschieben müssen. Ein Vierteljahr schlemmen lässt sich nicht in einem weiteren Vierteljahr ausbügeln, also wird es diesen Sommer wieder nichts. Aber seien Sie beruhigt, Sie konnten doch nicht anders. Die Jahreszeiten waren gegen Sie. Und so eine Bikinifigur lässt sich gut auf 2025 verschieben. Oder 2026? Ach unsere Zeit wird kommen. Ganz sicher.
Sollte sie das trotzdem beunruhigen empfehle ich einen heißen Kakao mit Sahne und einen Keks aus der versteckten Schwiegermutter-Dose.
Naschen ist ja so herrlich befriedigend.

Ihre (leicht vollschlanke)

Agatha van Wysn

Besuchen Sie doch auch die anderen Kolleg:innen im Autoren-Adventskalender. Sie werden bestimmt etwas Hübsches finden. Nachstehend der Link:

https://www.autoren-adventskalender.de

Werden bewährte Rezepte neu kombiniert,
kann Altbekanntes lecker und brandneu schmecken.

Besinnliches Kochen zu Weihnachten
- für Mutige -

GUT KOCHEN ist häufig nur eine mutige, aber gelungene Verbindung von unterschiedlichen Dingen. Kaltes Eis mit heißem Obst, samtweicher Blumenkohl mit knusprigen Semmelbröseln, überbackenes Steak mit cremiger Zwiebelkruste. Auch die süß-sauer-Kombination gehört dazu und ist Standard in vielen regionalen Küchen. Sei es Sauerkraut mit Weinbeeren oder Ananas, Rosinen im Sauerbraten, die Birne mit Preiselbeeren zum Hirschbraten oder das bekannte Himmel-und-Erd´, nichts anderes als Variationen, die viele noch von ihren Großmüttern kennen und heiß und innig lieben.

Genauso sind es auch Gewürze, die man nicht erwartet, die sich aber hervorragend mit dem Bekannten verbinden und etwas Besonderes aus dem Essen machen. Dabei können sie, müssen aber nicht das Exotische sein. Manchmal ist die Historie exotisch genug.

DIE MISCHUNG MACHTS. Wie fast immer im Leben …

Ich möchte Ihnen Mut machen, auch einmal etwas anderes auszuprobieren. Zum Beispiel meine:

Weihnachtliche Putenrouladen mit Lebkuchen an Glühweinsoße

Wer denkt bei Weihnachten nicht an Lebkuchen oder Glühwein?
Kaum einer, aber in einem Essen ...?

Warum? - Warum nicht!
Ich bin von Natur aus neugierig und probiere gerne Neues, auch und gerade in der Küche.
So las ich in Geschichten oft von „Kochen mit Brot“, was so lecker sein sollte. Ich ging auf die Suche, fand jedoch kein Rezept außer „Schinken im Brotteig“, den ich überbewertet fand. Vielfach zu trocken und ohne Verbindung zu den restlichen Bestandteilen. Schlicht enttäuschend.

Ich dachte schon, es wäre eine Zutat, die ich nicht wieder aktivieren kann, ein weiteres vergessenes Gut der Vergangenheit, wie so viele Erkenntnisse des Mittelalters verloren gegangen sind. Doch irgendwann stieß ich auf die Erklärung:
Mit Brot meinten die Köche „Pfefferkuchen“ oder „Gewürzbrot“, also Lebkuchen. Der Name ist bekannt seit dem 13. Jahrhundert, das Rezept basiert auf denen der alten Römer. Gewürzte Kuchen gab es jedoch schon 350 vor Chr. in Ägypten und die Aborigines bereiten Gewürzkuchen schon seit 15.000 Jahren zu.
Vielfach wurden die Lebkuchen in Klöstern hergestellt. Die Kirche hat sie wegen der langen Lagerbarkeit des Teiges, und vor allem wegen ihrer hefefreien Zusammensetzung als Fastenspeise zugelassen. Am Ende des Winters, wenn die Vorräte knapp wurden, verteilten sie die Lebkuchen, gern mit christlichen Motiven verziert, an die hungernde Bevölkerung, die sie mit starkem Bier genoss. Lebkuchen waren hier wahrhaftig oft „Lebensbrot“.
So erstaunt es nicht, dass ab dem 15. Jahrhundert die Lebkuchenbäcker eine eigene Zunft hatten. Teilweise wurden Lebkuchen im Mittelalter sogar als Medizin eingesetzt, ob der exotischen Gewürze wie beispielsweise Zimt, wurden in Apotheken verkauft, teuer und hoch geschätzt. Und es gibt bei Weitem bitterere Medizin.

Orient und Okzident fanden hier harmonisch zusammen,
harmonischer als die Menschheit, damals wie heute.

Prima, dachte ich mir, den Pfefferkuchen/Lebkuchen gibt es ja noch, das lässt sich ausprobieren. Nur leider war es gerade Sommer und ich musste warten.
Aber schon im Herbst kam meine Zeit und ich startete den ersten Versuch. Neben dem Lebkuchen-Paket lag ein Beutel Dörrobst und erinnerte mich an Nikolaus.
Warum? Nun, Stiefel braver Kinder wurden vor den heutigen elektronischen Spielzeugen und Hochglanz-Weihnachtsmännern mit dem gefüllt, was man hatte: Lebkuchen, Dörrobst und Nüsse.
Dörrobst erschien mir also passend. Zudem werden auch Rosinen zum Sauerbraten gefügt. Kann also nicht schaden, dachte ich mir. Und auf ging´s.

Ich habe erst einmal nur eine kleine Menge probiert, aber das Ergebnis war so toll, dass ich es Freunden vorstellte und die waren begeistert.

Und jetzt teile ich eins meiner selbsterdachten Lieblingsrezepte mit Ihnen, wenn Sie wollen. Betreten Sie Neuland, denn auf meine Recherche im Internet fand ich zwar einzelne Zutaten, aber nie in meiner speziellen Kombination. Ich bin also wohl der Erfinder.

Vertrauen Sie mir. Damit zaubern wir gemeinsam ein leckeres Mahl, nicht nur für die Feiertage. Und es geht so schnell, dass viel Qualitätszeit für die Familie bleibt.

P.S.: Tipps, Tricks und Anmerkungen habe ich Ihnen in grün hinzugefügt.

Zum Rezept:

Vorbereitung ca. 10-15 Minuten / Garzeit 30 Minuten.

Sie brauchen:
Putenschnitzel oder Putenbraten
Die Menge richtet sich nach der Personenzahl. Für 1 Person würde ich 1-2 Schnitzel rechnen, eine abgepackte Putenbrust ist meist günstiger und reicht für 2-3 Personen. Sie muss dann aber in ca. 1 cm dicke Scheiben geschnitten werden. (Bitte immer gegen den Verlauf der Faser schneiden.)

  • Anmerkung:
    Wer es sich zutraut, kann die Putenbrust beim Aufschneiden leicht drehen und so eine Spirale aus dem Fleisch schneiden. So bekommt man eine Riesenroulade, die dann als ganzer Braten vorbereitet werden kann. Dann darf aber der Topf nicht zu groß sein.
    Für den Anfänger rate ich zu Schnitzel, da die Garzeit viel leichter einzuhalten ist.

1 Packung Lebkuchen
Die Sorte ist egal, ob mit oder ohne Schokoladenüberzug bzw. Oblate. Je nachdem wie groß die Fleischstücke sind, passen 1-1,5 normale, runde Oblatenlebkuchen für eine Roulade.

  • Schneiden Sie den Lebkuchen wie er ist in fingerdicke Streifen. Eine Oblate am Lebkuchen stört nicht, die kann genau wie eventuelle Schokolade oder ein Guss dranbleiben. Im Gegenteil: Schokolade wird häufig sogar extra in Bratensoßen gegeben. Es passt!
  • Tipp:
    Ich lagere immer eine Packung im Winter im Gefrierschrank ein für die restlichen Jahreszeiten.

5-Gewürze-Pulver
Chinesische Gewürzmischung, mittlerweile auch in gut sortierten Supermärkten erhältlich.

  • Pro Schnitzel benötigt man eine Prise, also die Menge, die zwischen Daumen und Zeigefinger passt und das ist nicht viel. Sind die Schnitzel groß, ist es ein Hauch mehr.
    Notfalls kann man ersatzweise etwas gemahlenen Zimt und Nelke oder gemahlenes Lebkuchengewürz nehmen, hiervon aber deutlich geringer dosieren, da das Mischungsverhältnis dann nicht mehr stimmt und ein Gewürz zu viel vorschmecken könnte.

1 Liter Glühwein oder Kinderpunsch
Fertig gekauft oder aus Rotwein, Zimtstange und 1-2 Nelken selbst gemacht.

  • Wer keinen Weingeschmack mag, braucht keine Sorge zu haben. Der Alkohol verkocht, gibt aber seine Würze an das Fleisch.
  • Wer Kinder hat, kann auch gerne auf Kinderpunsch (meist Pflaumen- oder Kirschsaft mit Zimt aromatisiert) zurückgreifen. Den Punsch bitte mit etwas flüssiger Gemüsebrühe im Verhältnis 1:1 mischen.

1/2 Packung gemischtes getrocknetes Obst/Dörrobst

  • Grob in Stücke geteilt (eine Pflaume oder Aprikose vierteln, den Rest anpassen).
    Für 2-3 Personen benötigen Sie ungefähr eine große Hand voll oder eine kleine Doppelhand geschnittenes Obst. Eine Pflaume mehr oder weniger ist hier nicht schlimm.
  • Der verbleibende Rest lässt sich gut einfrieren und auch im Sommer noch nutzen.

Das sind die Hauptzutaten. Dazu benötigen Sie noch:

  • Pfeffer und Salz,
  • Fett zum Anbraten, keine Butter,
  • 1 Becher Sahne für die Soße (süß, sauer oder Kochsahne nach Geschmack.
    Bei saurer Sahne bitte nur vorher etwas von der Soße abnehmen und mit der Sahne glattrühren, sonst hat man kleine Klumpen. Und nicht mehr kochen!),
  • Zum Abschmecken etwas gekörnte Brühe.

Ich empfehle als Beilage:

1 Glas Rotkraut/Rotkohl (oder Wirsing, Rosenkohl) und
Hefeklöße zum Aufsaugen der Soße (Semmelknödel, Serviettenknödel gehen auch).

Vorteil des Gerichts:

  • Passt ideal in der Weihnachtszeit,
  • bindet wenig Qualitätszeit mit den Lieben,
  • gut, um Reste aufzubrauchen, sei es Dörrobst aus dem Nikolausstiefel oder Glühwein vom Vorabend, und
  • schmeckt zu jeder Jahreszeit hervorragend.

Ich gebe zu, es klingt ungewöhnlich, aber richtig weihnachtlich, oder?

Und es ist so einfach.
(Ich habe die Zeiten für die einzelnen Schritte hinter jeden Abschnitt gestellt,
damit Sie wissen, wann es Zeit ist, die Familie an den Tisch zu rufen.)

So geht´s:

Putenschnitzel oder –scheiben (ca. 1 cm dick) mit der Hand plattdrücken. Notfalls kann man auch das Fleisch zwischen 2 Frischhaltefolien legen und mit einem Topf oder einer Pfanne das Fleisch etwas plattieren. (Die Frischhaltefolie soll verhindern, dass man Löcher in das zarte Fleisch schlägt.)

Mit Pfeffer und Salz würzen, ein Hauch 5-Gewürze-Pulver (pro Schnitzel ca. 1-2 Prise/n, also das, was zwischen Daumen und Zeigefinger passt) über die Schnitzel stäuben. Gewürze mit der Hand sanft einreiben.

->1-2 Minuten.

 

 

 

 

Jetzt pro Roulade ca. 2-3 fingerdicke Lebkuchenstreifen an den Rand eines Fleischstücks legen, einrollen, 1-2 Streifen weiter hinten verteilen und locker einrollen. Mit Spießen oder Schnur verschließen, dabei die äußeren Seiten etwas in die Rolle drücken, damit nichts rausfällt.

Keine Sorge, Sie werden beim Aufschneiden den Lebkuchen wohl kaum als solchen wieder erkennen. Er wird samtweich und dient als Würze für das Fleisch.

->3-5 Minuten

Hier fehlt ein Bild, aber im Eifer des Gefechtes ist das Foto leider etwas unscharf geworden.
Ich denke jedoch, Sie haben sicher schon Rouladen gedreht.
Denken Sie sich einfach den Lebkuchen ins Innere und weiter hinten noch 1-2 Streifen.


Es sind alles eigene Bilder, daher möge man mir bitte verzeihen,
wenn sie nicht Hochglanz-Magazinen entsprechen.

In einer hohen Pfanne, eine Topf oder Kasserolle Putenröllchen in etwas Fett/Öl (keine Butter, da sie leicht braun wird und verbrennt) von allen Seiten scharf anbraten.

Die Bräune der Röllchen bestimmt zu einem Teil die Farbe der Soße und gibt die vielgelobten Röstaromen.

-> ca. 5 Minuten

  • ->Jetzt Backofen vorheizen. 180 Grad Celsius.

Während die Röllchen anbraten, das Trockenobst in Stücke schneiden. Als Maß nehmen Sie eine Pflaume oder Aprikose und vierteln sie. Die gleiche Größe dann für alles andere.

 

 

 

 

Achtet auf eine möglichst gleiche Menge von Pflaumen, Apfelringe und Aprikosen.
- Die Pflaumen geben die Süße,
- die Aprikosen die Säure,
- die Apfelringe eine leichte Bindung.
Durch das Bad in der Soße werden sie weich und verleihen dem Ganzen Aroma und Pfiff.

Mit Glühwein ablöschen und den Bratensatz lösen. Anschließend mit weiterem Glühwein aufgießen, bis die Röllchen/Rouladen gut zur Hälfte im Wein liegen, dann das Trockenobst rundherum in den Glühwein purzeln lassen und ab in den Backofen.

15 Minuten in den Backofen bei 180 Grad, danach die Röllchen/Rouladen auf die andere Seite drehen, verkochten Glühwein auffüllen, wieder bis zur Hälfte der Röllchen/Rouladen.

Weitere ca. 15 Minuten im Backofen lassen. Danach sollten die Röllchen/Rouladen weich sein und weiter geht es mit der Soße.

-> 30 Minuten (2x 15)

  • Tipp:
    In der Zeit kann man die Beilagen fertigmachen.
    Im Anschluss ist noch ein kleiner Exkurs, wie man Hefeklöße selbst machen kann.

Soße:

Das Fleisch aus der Kasserolle nehmen, um die Soße zuzubereiten.
WICHTIG: Die Soße auf jeden Fall probieren, denn Geschmack ist individuell.

AUF KEINEN FALL das Trockenobst pürieren. 1. wird die Soße sonst zu süß, 2. schmeckt man so die Bestandteile nicht mehr und die Vielfalt geht verloren.

Falls die Soße Ihnen schon gut schmeckt: Prima. Dann nur noch die gewünschte Konsistenz andicken, wer mag, kann Sahne einrühren und noch einmal abschmecken.

Es kann jedoch sein, dass Sie noch etwas gekörnte Brühe, 5-Gewürze-Pulver (sparsam, da man schnell überwürzen kann) oder etwas Salz benötigen. Immer nur eine Prise, dann wieder kosten. Wie gesagt: Geschmack ist individuell und das ist auch gut so. Aber lassen Sie beim Probieren noch etwas für Ihre Gäste übrig!

Dann die Sahne einrühren, ggf. etwas andicken mit Kartoffelstärke/Mondamin. Die Röllchen/Rouladen zurück in die Soße und servieren.

Auch hier: Servieren und genießen.

Ich weiß, Hochglanz ist anders, und anrichten kann ich auch schöner, aber ich hatte Hunger.
  • Tipp:
    Da die Soße so genial ist, wie ich finde, eignen sich saugende Klöße wie Hefeklöße oder Semmelklöße hervorragend zum Tunken und Genießen.
    Wer es sich einfach machen möchte, nimmt die Semmelknödel aus der Packung. Deren Garzeit passt gut in die Wartezeit auf das Fleisch.

Selbstgemachte Hefeklöße:
1 kg Mehl
1 Würfel Hefe/1 Päckchen Trockenhefe
1 TL Salz
mit warmem Wasser zu einem Teig mischen.

Verkneten, Kinderfaust-große Klöße formen und mit etwas Abstand in einem Topf ca.  20 Minuten über Dampf garen.
Wer keinen Dampfgarer hat, kann auch einen großen Topf nehmen, etwas Wasser einfüllen, einen Suppenteller mit der Unterseite nach oben hineinlegen, dass der Rand aus dem Wasser schaut. Das Wasser zum Kochen bringen und auf einem weiteren Teller, diesmal aber mit der Unterseite nach unten, die Klöße mit Abstand darauf setzen und garen.

Geschnitten werden sie am besten mit einem über Kreuz gelegtem Faden, der zusammen gezogen wird. So bleiben sie schön luftig.

  • Tipp: Übrige Hefeklöße können eingefroren werden oder schmecken am nächsten Tag mit Ei in der Pfanne gebraten hervorragend.

Für das Essen haben wir jetzt gemeinsam gesorgt, für die Stimmung sind Sie zuständig.
Ich wünsche Ihnen besinnliche Weihnachten
und guten Appetit.

Ihre
Agatha van Wysn

 

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